RESERVE | Düsseldorf, 01.02.2022

 

Resilientes Verbraucherverhalten im Kontext der Verbraucherüberschuldung

Exploration, Operationalisierung und Ansätze zur Steigerung der Verbraucherresilienz
in Überschuldungssituationen aus verhaltenswissenschaftlicher Perspektive

RESERVE | Düsseldorf, 01.02.2022

 

Resilientes Verbraucherverhalten im Kontext der Verbraucherüberschuldung

Exploration, Operationalisierung und Ansätze zur Steigerung der Verbraucherresilienz
in Überschuldungssituationen aus verhaltenswissenschaftlicher Perspektive

Im Zuge des Projektes RESERVE widmet sich das Institut für Verbraucherwissenschaften ab Februar 2022 dem Phänomen der Verbraucherresilienz in Überschuldungskontexten. Ziel ist es, nicht nur das Phänomen in u. a. seiner Dimensionalität zu durchdringen, sondern insbesondere auch Gestaltungsempfehlungen zur Stärkung dieser Verbraucherresilienz zur Überwindung (und ggf. auch zur Vorbeugung) von Überschuldungssituationen zu entwickeln.

Das Projekt wird vom Kooperationspartner, dem Lehrstuhl für BWL, insb. Arbeit, Personal und Organisation der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf unter der Leitung von Univ.-Prof. Dr. Stefan Süß, koordiniert. Unterstützt werden die beiden wissenschaftlichen Partner durch diese Expertisen und Praxiserfahrungen des Deutschen Paritätischen Wohlfahrtsverband Landesverband Nordrhein-Westfalen e. V. sowie des Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen e. V.. Gefördert wird das Projekt wird vom BMUV (ehem. BMJV) mit rund 200.000 Euro über 2 Jahre.

Info-Box

 

  • Projektart: Kooperationsprojekt; Lehrstuhl für BWL, insb. Arbeit, Personal und Organisation (HHU) in Koordination
  • Laufzeit: 24 Monate (Februar 2022 bis Januar 2024)
  • Fördersumme: 200.000 Euro
  • Förderer: Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz (BMUV)
  • Projektträger: Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (BLE)
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Projektträger:
Wissenschaftlicher Partner (Koordinator):

Lehrstuhl für BWL, insb. Arbeit, Personal und Organisation (Univ.-Prof. Dr. Stefan Süß)

DAS PROJEKT

Hintergrund

Verbraucher*innenüberschuldung ist seit einigen Jahren kein Randphänomen mehr, sondern zeigt sich inmitten der Gesellschaft. Darauf weisen u. a. Daten der Friedrich-Ebert-Stiftung hin, denen zufolge im Jahr 2019 in Deutschland zwischen 5,36 und 7,01 Millionen Menschen als überschuldet galten[1] und ihren Zahlungsverpflichtungen nicht nachkommen konnten. Schätzungen zu Folge wird davon ausgegangen, dass sich diese Zahl aufgrund der anhaltenden COVID-19 Pandemie nochmals deutlich erhöhen wird. Neben unbeeinflussbaren Gründen für eine Überschuldung, wie z. B. Arbeitslosigkeit, Krankheiten und Todesfällen von Angehörigen, kann auch das eigene Konsumverhalten Überschuldungssituationen begünstigen. Der Eintritt sowie die Wahrnehmung einer Überschuldungssituation stellt für Individuen regelmäßig eine existenzielle Krise dar. Wie ein Individuum eine Krise übersteht, ist maßgeblich von der (psychologischen) Resilienz abhängig. Darunter wird die Eigenschaft von Individuen verstanden, Belastungen (z. B. Stress) an sich abprallen zu lassen oder sich nach Stresseinwirkungen schnell zu erholen.[2] Resilienz wird zum einen durch (teilweise erlenbare, teilweise genetische oder frühkindlich geprägte) Schutzfaktoren wie Achtsamkeit oder Optimismus gefördert, zum anderen trägt die erfolgreiche Bewältigung von Krisen zur Resilienzentwicklung bei.[3]

Resilienz prägt insbesondere die Interaktion von Individuen mit ihrer Umwelt und ist daher von verhaltenswissenschaftlicher Relevanz. Sie besteht dabei allerdings nicht universell für jeden Stressor. Vielmehr verfügt ein Individuum über verschiedene Resilienzen, die in einigen Kontexten stärker, in anderen schwächer ausgeprägt sein können.[4] Analog lässt sich für das Konsumentenverhalten annehmen, dass es Verbraucher*innen gibt, die ihr Verhalten in Krisen (wie in der beschriebenen Überschuldungssituation) funktional anpassen und somit resilientes Verhalten entwickeln können – entsprechend eine Verbraucherresilienz existiert. Dabei beschreibt der Begriff der Verbraucherresilienz die „Fähigkeit von Verbraucher*innen, nicht nur mit diesen Herausforderungen umzugehen, sondern die Veränderungsprozesse in nachhaltiger und bedürfnisgerechter Weise anzunehmen und Alltagspraktiken und Routinen immer wieder neu zu justieren. Diese Fähigkeit ist gleichsam Voraussetzung für angemessene Teilhabe am wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Leben“[5].

 

Zielstellung

Während erste Forschung zu Verbraucherresilienz bereits erfolgt ist[6], ist bisher weitestgehend unerforscht, wie sich resilientes Verhalten in Form von funktionaler Anpassung in Überschuldungssituationen, die Situationen besonderer Verletzlichkeit darstellen, gestaltet und auswirkt. Analog zur psychologischen Resilienz[7] lässt sich für die Verbraucherresilienz im Kontext der Überschuldung annehmen, dass z. B. funktionale problemorientierte (z. B. in Form von Einkommenssteigerung durch Mehrarbeit), emotionsorientierte (z. B. positive Neubewertung der Situation) oder sinnorientierte Copingstrategien (z. B. Änderung von materiellen Bedürfnissen) das resiliente Verhalten begünstigen. Ob diese Annahmen jedoch zutreffend sind, ist bis dato wissenschaftlich unklar, da es sowohl an Wissen über die Dimensionalität, Entstehung und Wirkung von Verbraucherresilienz in Überschuldungssituationen fehlt als auch bis dato keine dafür notwendige Möglichkeit der Messung existiert.

Dabei ist das Wissen über Verbraucherresilienz in Überschuldungssituationen ist aus mehrerlei Gründen von besonderem gesellschaftlichen und wirtschaftlichem Interesse. Erstens geraten Individuen, die nicht in der Lage sind, ihr Verhalten im Überschuldungsprozess anzupassen, langfristig in die Insolvenz mit allen damit verbundenen ökonomischen, psychologischen und sozialen Folgen. Zweitens nimmt unwirtschaftliches Haushalten als eine Ursache von Überschuldungssituationen zu, was die empirische Relevanz des Themas untermauert. Drittens gehen hohe Insolvenzraten sowohl mit privat- als auch volkswirtschaftlichen Schäden einher.

Vor diesem Hintergrund besteht das übergeordnete Ziel des Forschungsvorhabens darin, das Phänomen der Verbraucherresilienz im Überschuldungskontext zu analysieren, um aufbauend auf dieser Analyse (ggf. differenzierte) Gestaltungsempfehlungen zur Stärkung der Verbraucherresilienz zur Überwindung (und ggf. auch zur Vorbeugung) von Überschuldungssituationen entwickeln zu können. Zu diesem Zweck gilt es im Projekt folgende fünf Ziele zu erreichen:

  1. die Durchdringung der Verbraucherresilienz in Überschuldungssituationen mit Fokus auf Dimensionalität, Entstehung und Wirkung,
  2. die Messbarmachung (Operationalisierung) von Verbraucherresilienz in Überschuldungssituationen,
  3. die Überprüfung und etwaige Weiterentwicklung einer Verbrauchertypologie,
  4. die Ableitung zielgruppenspezifischer Gestaltungsempfehlungen zur Stärkung von Verbraucherresilienz in Überschuldungssituationen und
  5. den Transfer der Projekterkenntnisse in Gesellschaft und Politik.

Ansprechpartnerin (IfV)

Frau Vita Zimmermann-Janssen

  • E-Mail: vita.zimmermann@verbraucherwissenschaften.de
  • Telefon: 0211/81 11302

Ansprechpartnerin des Lehrstuhls für BWL, insb. Arbeit, Personal und Organisation

Frau Katharina Apenbrink

[1] Korczak, D., Peters, S., & Roggemann, H. (2021). Private Überschuldung in Deutschland. Zugriff unter https://library.fes.de/pdf-files/wiso/17552.pdf

[2] Henninger, M. (2016). Resilienz. In D. Frey (Hg.), Psychologie der Werte: Von Achtsamkeit bis Zivilcourage – Basiswissen aus Psychologie und Philosophie (S. 157–165). Wiesbaden: Springer.

[3] Gunkel, L., Böhm, S., & Tannheimer, N. (2014). Resiliente Beschäftigte eine Aufgabe für Unternehmen, Führungskräfte und Beschäftigte. In B. Badura (Hg.), Fehlzeiten-Report: Bd. 2014. Erfolgreiche Unternehmen von morgen – gesunde Zukunft heute gestalten: Zahlen, Daten, Analysen aus allen Bereichen der Wirtschaft (S. 257–268). Wiesbaden: Springer; Masten, A. S. (2001). Ordinary magic: Resilience processes in development. American Psychologist, 56(3), 227–238.

[4] Rutter, M. (1999). Resilience concepts and findings: implications for family therapy. Journal of Family Therapy, 21(2), 119–144; Ungar, M. (2004). A Constructionist Discourse on Resilience. Youth & Society, 35(3), 341–365.

[5] BMJV (2021). Richtlinie über die Förderung von Vorhaben zur verbraucherbezogenen Forschung und Entwicklung zu „Resilienzen von Verbraucherinnen und Verbrauchern stärken“ im Rahmen des Programms zur Innovationsförderung im Verbraucherschutz in Recht und Wirtschaft. Zugriff unter https://www.bmjv.de/Shared-Docs/Downloads/DE/PDF/BereichMinisterium/Bekanntmachung_Verbraucherresilienz.pdf?__blob=publication-File&v=1

[6] u. a. Bermes, A. (2021). Information overload and fake news sharing: A transactional stress perspective exploring the mitigating role of consumers’ resilience during COVID-19. Journal of Retailing and Consumer Services, 61, 102555.

[7] Folkman, S., & Moskowitz, J. T. (2004). Coping: pitfalls and promise. Annual review of psychology, 55, 745–774; Lazarus, R. S. (2012). Evolution of a Model of Stress, Coping, and Discrete Emotions. In V. H. Rice (Hg.), Handbook of stress, coping, and health: Implications for nursing research, theory, and practice (2. Aufl., S. 199–225). Sage; Soucek, R., Pauls, N., Ziegler, M., & Schlett, C. (2015). Entwicklung eines Fragebogens zur Erfassung resilienten Verhaltens bei der Arbeit. Wirtschaftspsychologie, 17(4), 13–22.